Jan in Kabul 2005
Freitag geht's los. Meine mail: jaengenvoort (at) yahoo.de Schreibt mir ab und zu mal. Jan Aengenvoort

Hier mein voraussichtliches Taxi:

Und hier die Bank meines Vertrauens:

bin gut angekommen. alles bestens bisher. jan
So Freunde, nun eine etwas ausfuehrlichere Nachricht. Wo soll ich beginnen? Kabul ist immernoch sehr zerstoert, ganze Wohnblocks sind zerbombt und nicht wieder aufgebaut. Aber die Menschen leben in den Ruinen. Das Strassenbild ist dem in Pakistan und Indien aehnlich, wenn auch noch aermlicher, haerter und wilder. Allerdings sind die Menschen im Gegensatz zu den beiden genannten Laendern sehr zurueckhaltend, man wird fast nie angesprochen auf der Strasse. Vielleicht sind sie auch nur zu verdutzt, dass dort ein Westler herumlaeuft, denn die meisten fahren hier in ihren schicken 4WDs. Zweimal am Tag oder oefter fliegen amerikanische Bomber nach Sueden gen pakistanische Grenze, ansonsten bekommt man vom Krieg nicht viel mit. Die ISAF ist in Kabul selbst sehr praesent, die Deutschen seh ich ein-, zweimal am Tag in ihren gepanzerten Fahrzeugen. Habe gestern auch ein paar kennengelernt, beim Filmabend im Goethe-Institut, habe sie direkt mit einem strammen "GUTEN TAG" begruesst, war lustig. Sie hatten Waffeln mitgebracht, und als sich eine Bekannte dafuer bedanken wollte, hatten die Soldaten zuerst "Danke fuer die Waffen!" verstanden. Na ja, alles recht aufregend hier.

Die Sicherheitslage scheint sehr stabil zu sein, habe mich erst zweimal bedroht gefuehlt, einmal von einem streundenden Hund, der wirklich wirklich boese aussah und das andere Mal bin ich in eine Demonstration hineingeraten, aber ich merkte schnell, dass es die Beinamputierten Kabuls waren, die Abfindungen einforderten. Keine Gefahr fuer mich also. Ansonsten werd ich hier wohl in die expat-community aufgenommen werden, auf Deutsch: Nur mit Europaeern Umgang haben. Afghanen und Westler scheinen sich so gut wie nie zu mischen, obwohl natuerlich jeder Weisse hier einen afghanischen Fahrer und Koch hat. Mindestens.

Die Preise sind vollkommen verdorben, wohl von der ersten Welle von UN und anderen NGOs. Die zahlen einfach alles, fuenf-, sechsmal so viel wie vergleichbare Gueter oder Dienstleistungen in Indien kosten wuerden. Das heisst der ganze Spass hier wird extrem teuer. Im Moment bin ich im Mustafa-Hotel, zahle dort 20 USD fuer ein 5qm-Zimmer. Na ja, ich bin auf der Suche nach was anderem. Fr. Z., meine Praktikumsleiterin, ist sehr nett und extrem hilfsbereit, ihr Mann ebenso. Die Uni beginnt erst naechste Woche, also hab ich noch ein wenig Zeit zum akklimatisieren. Heute ist Neujahr hier, deswegen sind alle Geschaefte geschlossen, aber ich bin auf einer Party eingeladen, natuerlich von Deutschen. Aber ich bin sehr froh drum, sonst waer ich wahrscheinlich doch etwas einsam hier.

Viele Gruesse nach Deutschland,

Jan

Hier ein paar Bilder, damit ihr euch vorstellen koennt, wie Kabul ausschaut:

Bin jetzt umgezogen und lebe fuer eine Woche bei H., einer deutschen Entwicklungshelferin. Ein schoenes Haus, ein schoenes Zimmer, ein schoener Garten, alles, was ich vorher nicht hatte. Die letzten Tage waren sehr ereignisreich.

Angefangen hat alles mit der Eroeffnung des Schuljahres am Montag. Grosser roter Teppich, Soldaten en masse, der Vizepraesident Afghanistans und der Erziehungsminister waren da, ebenso Rabbani, der ehemalige Ministerpraesident und Mudschahed. Ein sehr huebscher alter Mann, mit grosser Ausstrahlung, leider voellig korrupt (hoffentlich liest er's jetzt nicht). Ich wusste nicht so wirklich, dass eine so illustre Gesellschaft anwesend sein wuerde, hatte gedacht, nur diese eine Schule, in der die Feier stattfand, wuerde die Einschulung neuer Kinder feiern. Also stand ich dann in Trekkingschuhen und Jeans auf dem roten Teppich, sass spaeter in der vierten Reihe und war bestimmt auch noch im TV. Aber viel peinlicher war der Vizepraesident selbst. Er bedankte sich bei den etwa 200 anwesenden Lehrern fuer deren harte und gefaehrliche Arbeit, fuer die sie ja nur einen Monatslohn von 100 USD erhalten wuerden. Daraufhin lautes Gejohle, Lachen und erwartungsfreudiges Applaudieren bei der Lehrerschaft. Etwas irritiert blickt der Vize auf den neben ihm sitzenden Erziehungsminister, bombardiert von den Zwischenrufen aus dem Saal, die ich zwar in sprachlicher Hinsicht nicht entschluesseln konnte, aber doch sinngemaess verstanden habe. Die erste Reaktion des zweiten Mannes Afghanistans: "Maybe some of you only get 50 USD." Wieder Gejohle, lauter. Dann endlich schreitet der Erziehungsminister ein und fluestert dem Vizepraesidenten etwas ins Ohr. Daraufhin endlich die Wahrheit: "Yes, O.K. Everybody gets 40 USD a month." So ist das hier am Hindukusch.

Interessant war, dass das Wort "Taliban" relativ oft fiel, die Vergangenheit wird nicht totgeschwiegen. Allerdings wollen die Leute es nicht unbedingt hoeren, zu sehr sind sie von der Gegenwart in Anspruch genommen. Und die Vergangenheit hat eh Spuren hinterlassen, in den Gesichtern vor allem, aber natuerlich auch im Stadtbild.

Gestern hab ich dann einige erste Deutschstudenten auf dem Campus der Uni Kabul getroffen, der gruen und weitlaeufig ist. Sie sprachen sehr gut Deutsch, allerdings mit diesen witzigen kleinen Fehlern. Als ich ihnen versucht hatte, den Unterschied zwischen 'Rasen' und 'Wiese' zu erklaeren, meinte einer von den beiden: "Also kann ich sagen, die Kuh frisst die Wiese?" Derselbe Student, nachdem wir uns zwei Stunden gut unterhalten hatten: "Kann ich dich jetzt mit nach Hause nehmen?" Schoen, nicht? So schnell wird man hier zum Haustier.

Gestern hat die Vorlesungszeit angefangen, somit beginnt meine Reise erst jetzt so wirklich. Die Studenten und Kollegen sind sehr freundlich, sehr wissbegierig, selbst die Lehrer setzten sich in meine Stunden und notierten sich alles. Hoffentlich nicht, um mich beim Chef zu verpetzen.

Setze mir alle paar Tage ein neues Ziel, um mich weiter besser einzuleben. Mein letztes Ziel war, Persisch zu sprechen. Und seitdem ich mich das traue, ist das Leben weitaus lustiger. Ein Gespraech entwickelt sich zwar nicht wirklich, aber die Menschen schaetzen es sehr, wenn man sich bemueht. Zweimal wurde mir das Bezahlen erlassen, weil ich Deutscher bin und Persisch spreche (Taschakor Mehdi, mo'alleme cheily chub budi). Beim ersten Mal (Taxifahrer, dessen besoffener Beifahrer und Bruder mir den Fahrpreis erlassen hat) hab ich die Einladung noch angenommen, gestern beim Schneider hab ich's ausgeschlagen. Aber damit keine falschen Impressionen entstehen: Normalerweise zahle ich natuerlich das Doppelte, wie alle Westler hier. Und Handeln ist hier schwierig, die Menschen sind schnell wirklich beleidigt, nicht wie in Indien, wo man ein Weichei ist, wenn man den erstgenannten Preis zahlt.

Nun ja, meine jetzige Aufgabe ist es, mit dem Sammeltaxi von der Uni nach Hause zu fahren, nicht mehr mit einem eigenen. Heute das erste Mal versucht. Wunderbar. Sass neben einem alten, inkontinenten Afghanen, der mir stolz seinen Katheterbeutel zeigte, neben mir ein Student, der vom Blitz getroffen schien, in einem Sammeltaxi einen Deutschen zu treffen und auf dem Beifahrersitz ein Soldat, der versucht hat, mir seine Lebensgeschichte auf Russisch zu erzaehlen. Der einzige, der mein Persisch verstanden hat, war der alte Mann. Habe einen stolzen Dollar gespart.

In der Uni war ich ueberrascht zu sehen, dass Frauen und Maenner nicht nur gemeinsam unterrichtet werden, sondern auch nicht nach Geschlechtern getrennt im Klassenzimmer sitzen. Der Schleier rutscht ein Stueck nach hinten, sobald das Unitor durchschritten ist. Auf der Strasse sieht man auf jede Frau zehn bis fuenfzehn Maenner, die Haelfte der Frauen in der Burqa. Manchmal mit Jeans und Stoeckelschuhen darunter. Verschleiert ist jede Frau, nur Europaeerinnen und zurueckgekehrte Exil-Afghaninnen gehen unverschleiert. Heute habe ich mit meiner ersten Klasse abgemacht, am Donnerstag ins Kino zu gehen. Als ich fragte, wer denn mitkommen wolle, haben nur die Maenner aufgezeigt. Dann die Erklaerung: "Frauen duerfen nicht ins Kino gehen." Daraufhin ich (viel zu direkt natuerlich, eigentlich dumm): "Das finde ich nicht gut." Daraufhin eine Fuenfundzwanzigjaehrige vor mir vorwurfsvoll: "So ist unsere Kultur." Die staerkste Stuetze des Patriarchats sind die Frauen selbst, so scheint es zumindest.

Afghanistan ist auch das Land der bei uns ausgestorbenen Berufe. Die Haelfte dieser Berufe koennte ich nicht einmal benennen, da mit der Taetigkeit das deutsche Wort dafuer ausgestorben ist. Lange ueberlegen musste ich, warum Menschen an der Strasse sitzen, mit einem Schreibblock auf dem Schoss, einem Stift in der Hand. Natuerlich fuer die Analphabeten (angeblich fast 90 % in Afghanistan), die sich von diesen Schreibern ihre Briefe abfassen lassen. Die afghanische Telefonzelle ist ein meist alter Mann, der auf Anfrage und gegen ein paar Cent sein Nokia herauskramt. Kinder arbeiten unentwegt, als Feger, Strassenverkaeufer, als Hilfe im Geschaeft, beim Betteln. Manchmal auch als Goldschuerfer in den Muellbergen am Strassenrand. Die Schule besuchen zwar so viele Kinder wie seit Jahrzehnten nicht mehr, aber von einer allgemeinen Schulpflicht kann nicht die Rede sein.

An einem der letzten Tage hatte ich jeweils eine Begegnung mit den hier stationierten westlichen Soldaten. Zuerst tauchten deutsche ISAF-Soldaten, in voller Montur natuerlich, an der Uni Kabul auf und verteilten Neujahrskarten (ach ja, wuensche euch allen selbstverstaendlich ein schoenes Jahr 1384), die auf Dari (afghanisches Persisch) und Pashtoo, den beiden Nationalsprachen, verfasst waren. Dieses Bild gibt ziemlich deutlich die Strategie der ISAF wieder, zum Einen militaerische Staerke zu zeigen, zum Anderen aber die Naehe zur Bevoelkerung zu suchen, sozusagen auf goodwill-tour zu gehen.

Spaeter nachmittags traf ich dann im Basar das erste Mal auf amerikanische Soldaten. Ein Humvee bog in rasantem Tempo um die Ecke, oben aufgepflanzt ein G.I., der mit MG im Anschlag herumwedelte und, wohl auf Dari, "Aus dem Weg" bruellte. Hatte echt Angst um die Radfahrer, die sich gerade noch an die Seite retten konnten. Der kleine Gott dort oben schien mir zu viel "Apocalypse Now" geschaut zu haben, auf jeden Fall kommt dieses Verhalten hier schlecht an. Will nicht sagen, dass ohne die Europaeer hier irakische Verhaeltnisse herrschen wuerden, das sicher nicht, aber deren Strategie erscheint mir einleuchtender. Vor allem, da Kabul seit mehr als drei Jahren unter Kontrolle und soweit "befriedet", da entwaffnet, ist. Das beste auch fuer Afghanen zugaengliche Krankenhaus hier ist angeblich das Feldlazarett der Bundeswehr. Doch nicht nur die jetzige Hilfe macht die Deutschen hier so beliebt, mindestens eine ebenbuertige Rolle spielt die immer wieder betonte ethnische Verwandschaft mittels der Arier. Kein Witz, das ist ein grosser Kult hier. Die nationale Fluggesellschaft, Ariana, leiht sich gar ihren Namen von den Bronzezeitbewohnern. Ist natuerlich schwer fuer einen Deutschen, damit halbwegs sensibel umzugehen, allerdings sollte man es nicht so machen wie der scheidende deutsche General der Bundeswehr, der in seinem Abschiedsinterview von der fruchtbaren Arbeit "aufgrund der selben ethnischen Abstammung" sprach. Der hiesige Arierkult hat nichts mit Hitlers "Herrenmenschentum" zu tun, obgleich die sowieso schon marginalisierten mongolischen Hazaras durch diesen stolzen Verweis auf die Geschichte der eigenen Ethnie weiter diskriminiert werden. Interessant ist auch, dass nur die Deutschen als Arier gesehen werden, nicht etwa auch die Franzosen oder gar Amerikaner. Das mag sehr wohl mit Hitler zu tun haben.

Einige Kabuler Klassiker

er: You want book?
ich: No, thank you.
er: Which one?

Klassische Begruessungsszene

ich (lege die rechte Hand auf meine Brust): Salaam Aleikum. Tschetor hastid? (Guten Tag. Wie geht es Ihnen?)
er (moechte meine Hand schuetteln): Hello. How are you?

Klassische Taxiszene:

(alles auf Persisch, kaum ein Taxifahrer spricht Englisch, alles wie in Deutschland hier)

ich: Guten Tag. Zur Universitaet Kabul, bitte.
er: OK.
ich: Wieviel?
er: 150 Afghani.
ich: Nein, 70.
er: 110.
ich: 80.
er: 90 Afghani.
ich: OK. (fast zwei Dollar, immernoch viel zu viel.)

nach zehn Minuten Fahrt

er: brjkichjadertuikalamidufaterad?
ich: Ich spreche nur wenig Persisch.
er (nur unwesentlich langsamer): Woher kommen Sie?
ich: Aus Deutschland.
er: Sehr gut.

kleine Pause

er: Arbeiten Sie hier?
ich: Ja, ich bin Lehrer an der Universitaet. Deutschlehrer.
er: Sehr gut.

kleine Pause

er: Deutschland ist ein gutes Land.
ich: Afghanistan ist auch ein gutes Land
er: Nein, hier ist alles kaputt. Die Menschen sind boese.
ich: In Deutschland gibt es auch viele boese Menschen.
er: Nein.

Dann zehn Minuten small-talk uebers Wetter oder wahlweise, wenn im Stau, ueber den Verkehr.

Nach Erreichen des Fahrtziels schliesst sich etwa jedes fuenfte Mal folgende Szene an:

ich (krame mein Portemonnaie heraus): Sie koennen anhalten. Danke sehr.
er (sieht, dass ich die Scheine abzaehle): Nein, kein Geld. Sie sind unser Gast. Deutsche Menschen sind gute Menschen.

Klassische Restaurantszene

er: Was moechten Sie essen?
ich: Einmal Shami Kebab und eine Seven Up.
er: OK.

Fuenf Minuten spaeter:

er: Seven Up oder Pepsi? Ich habe es vergessen.
ich: Seven Up, bitte.

Fuenf Minuten spaeter bekomme ich eine Miranda.

Es gibt leider keine Struktur im Chaos des Softdrinks-Ausschanks, sodass ich mich darauf einstellen koennte, bei Bestellung einer Pepsi immer eine Seven Up zu bekommen etc. Die Essensbestellung wird aber seltsamerweise nie vertauscht. Und mir ist es auch egal, was ich trinke, ist nur jedes Mal wieder lustig, ein kleines Ratespiel. (Christian: wenn Du kommst, koennen wir jedes Mal wetten und wer gewinnt, muss sein Essen nicht bezahlen!)

Nicht so lustig ist die

Klassische afghanische Lebensgeschichte,

hier am Beispiel eines Lehrers aus meinem Kollegium, der mir seine erzaehlt hat:

Vor dem Krieg (also Ende der Siebziger) gluecklich in Kabul aufgewachsen. Waehrend des Kriegs beide Eltern verloren. Dann mit dem Rest der Familie fuer eine kurze Zeit nach Pakistan geflohen. Schon waehrend der Talibanzeit Rueckkehr nach Kabul. Mit Vollbart und Gebetskaeppchen. Nach dem Sturz der Taliban glattrasiert. Jetzt in Jeans und T-Shirt. Arbeitet fuer 50 USD monatlich an der Uni. Nachmittags Arbeit als Schneider. Der Verdienst muss fuer die gesamte uebrig gebliebene Grossfamilie reichen (also inkl. Grosseltern). Dazu offensichtlich vom Krieg traumatisiert.

Trotz dieser riesigen Probleme, die, wie gesagt, nicht im Einzelfall, sondern auf breitester Basis zu finden sind, treffe ich erstaunlich wenige Menschen, die in den Westen ziehen wollen (viel weniger als im Iran etwa). Es herrscht der Wille vor, das Land wiederaufzubauen, dementsprechend gibt es sogar einige Remigranten aus westlichen Laendern.

Inzwischen sind meine Tage vollkommen ausgefuellt mit der Arbeit an der Universitaet und den abendlichen Renovierungsarbeiten in meiner neuen Bleibe. Bin letzte Woche mit H. zusammengezogen, einem deutschen Entwicklungshelfer. Unser Haus liegt in einem Vorort Kabuls, komme deshalb nicht mehr so haeufig ins Netz wie zuvor, allerdings morgens weitaus schneller zur Uni.

Letztens sass ich wieder in einem meiner geliebten Taxis, ein Toyota Corolla, wie geschaetzte 90% aller Wagen hier. Falls ihr in Deutschland noch einen sehen solltet, was ich bezweifle, schickt ihn hierher, damit er nicht so alleine ist. Doch zurueck zur Taxifahrt.

Nach einigen Minuten Fahrt frage ich den Fahrer hoeflich um Erlaubnis, eine Zigarette rauchen zu duerfen. Dieser, seltsam abwesend, nickt kurz und brummelt in seinen Bart. Daraufhin kramt er seine Zigarettenpackung heraus, doch sie ist leer. Ich biete ihm meine an. Er nimmt sich eine Zigarette, schmeisst sie, wiederum in seinen Bart brummelnd, vor die Windschutzscheibe. Etwas erstaunt ueber die unwuerdige Behandlung meines kleinen Geschenks frage ich ihn, ob er eine andere Marke rauche. "Ich rauche Haschisch.", erwiderte er. "Haschisch hab ich nicht.", sage ich. Wieder in seinen Bart brummelnd holt er aus seiner Hemdtasche einen Brocken Haschisch, bietet mir davon an, ich lehne ab, er grummelt weiter. Mein Taxifahrer. Morgens um halb acht in Afghanistan.

Der Strassenverkehr hier in Kabul lebt von Feinmotorik, mehr als zehn Zentimeter Abstand zwischen den fahrenden Autos ist eine Raritaet. Strassen, die in Deutschland dreispurig waeren, werden hier - ungelogen - kurzerhand sechsspurig. Mittendrin natuerlich Motorraeder, Fahrraeder, Fussgaenger, Tiere und manchmal ein einsamer Verkehrspolizist, dem all mein Mitleid gehoert. Manchmal sieht man noch Lastkarren, die von verschiedenen Tieren gezogen werden. Gesichtet habe ich bisher Kamele (nur einmal), Esel, Pferde, Ochsen und Menschen. Wie ihr seht ist Zynismus das einfachste und gefaehrlichste Mittel zur Bewaeltigung des hiesigen Alltags.

Je groesser die Entfernung von Kabul, desto geringer ist das Verkehrsaufkommen, wie ich am Wochenende (also Freitag und Samstag) sehen konnte. Auf der Fahrt nach Bamyan, der Stadt ohne Buddhas, wie ihr euch vielleicht erinnert, sind wir manchmal eine halbe Stunde keinem Fahrzeug begegnet. Dafuer zahlreichen verschrotteten Panzern aus den Kriegsjahren (einer war schwedisch, nur Allah weiss, was der hier zu suchen hatte), die am Strassenrand zerschossen liegen geblieben sind, neben Flaks und anderem Militaergeraet. Hatte ich bisher noch nicht gesehen. Ueberhaupt hat Kabul wenig mit dem laendlichen Afghanistan gemein, die Menschen wirken rauher, sind auch oft bewaffnet, sogar die Kinder. Diese allerdings "nur" mit Luftgewehren, die sie uns stolz zeigten, was einige Dummkoepfe unter meinen Mitreisenden dazu bewog, sensationsgeil Fotos vom militaerischen Nachwuchs zu schiessen. Man darf diese oeffentliche Zurschaustellung von Waffen allerdings nicht als tatsaechliche Bedrohung der eigenen Person sehen, auch wenn sie natuerlich eine potentielle bleibt, da sie einfach ein Statussymbol des (meist paschtunischen) Ehrenmannes ist. Als ich in einer keinen Stadt auf dem Weg nach Bamyan an einem Laden vorbeiging, lud der recht muerrisch dreinblickende Besitzer sein Gewehr durch. Etwas irritiert schaute ich ihn an und sagte: "No shooting, please!", waehrend ich von irgendwoher ein moeglichst gewinnendes, doch gleichzeitig beilaeufiges Laecheln auf meine Lippen holte. Daraufhin lachte er herzlich und bot mir Tee an.

Die Fahrt selbst ist schwierig zu beschreiben, ich werde demnaechst einmal Fotos hochladen, damit ihr einen Eindruck bekommen koennt. Zuerst fuehrte die Strasse durch lange, gruene, mit bluehenden Pfirsichbaeumen bewachsene Taeler, bis sie ins Hochland anstieg, schneebedeckt der Pass. Nach einigen Kilometer talwaerts oeffnete sich ein gewundener und hoher Canyon, den wir durchquerten um nach zehn Stunden Fahrt die Mondlandschaft zu erreichen, in der Bamyan liegt. Am naechsten Morgen um fuenf Uhr all das en retour.

Beim Eintreffen in Kabul fuehlte ich mich heimisch, doch keine Angst, ein Koelner vergisst seine Wurzeln nicht!

So, hier die Photos:

Es ist nicht viel Aufregendes geschehen in den letzten Tagen, ich lebe - so seltsam das klingen mag - im Alltag hier, mit nahezu identischen Tagesablaeufen. Morgens Unterricht in der Universitaet, nachmittags bin ich inzwischen mit Projekten beschaeftigt, die ich gemeinsam mit den Studenten durchfuehre, als da sind die Erstinventarisierung der Institutsbibliothek, die Befragung verschiedener afghanischer Bevoelkerungsgruppen zu ihrem "Deutschlandbild" und schliesslich ein Foerderkurs, mit dem ich einmal in der Woche Exkursionen zu deutschen Organisationen in Kabul (Botschaft, Polizeiprojekte, Camp Warehouse, Minenraeumdienst, NGOs, GOs usw.) unternehme.

Begonnen haben wir allerdings mit einer afghanischen Institution, der Nationalgallerie. Dort bietet sich eine abstruse, willkuerliche Mischung aus verschiedenen Stilen, Motiven und Graden von Professionalitaet, die allein durch den Hinweis auf den Bildersturm der Taliban zu erklaeren ist, der nicht viel uebriggelassen hat. Ein zuvorkommender, stets eifriger junger Kunststudent fuehrte uns durch die Ausstellung, immer bemueht, auch mir ein paar englische Worte ueber das jeweilige Kunstwerk zu schenken. Als wir vor einer von drei antiken Statuen standen, fragte ich ihn, wie alt diese sei. Er darauf: "It's more than three thousand years old.", was nicht uebertrieben schien. Da ich mich buecken musste, um die Figur, die auf einer niedrigen Stele platziert war, besser sehen zu koennen, wollte er, sehr freundlich, mir die Ansicht erleichtern und kippte die gesamte Stele ein ordentliches Stueck nach hinten. Was er - und ich - nicht wussten, war, dass die dicke Mama leider nicht festgeschraubt war, sodass sie uns mit lautem Gepolter vor die Fuesse fiel. Nachdem mein angehendes Historikerherz kurz ausgesetzt hatte zu schlagen und sichtbar wurde, dass ich nicht, ebensowenig wie die Taliban vor mir, die Zerstoerung der Figur vollbracht hatte, keimte ein boeser Lachkrampf in meinem Bauch auf, den ich nur schwer unterdruecken konnte. Die gesamte Szene war einfach zu absurd.

Auch die Studenten uebten wenig Ruecksichtnahme auf die Kunstwerke, sie fuhren mit den Fingern ueber die Leinwand der Bilder, wenn sie mir etwas erklaeren wollten ("Sehen Sie, Herr Jan, das hier ist Amir Habebullah Khan, unser groesster Koenig. Er hatte 20 Frauen. Jetzt raten Sie mal, wieviele Kinder er hatte!") und waren ueberhaupt nah an der Kunst. Eingeschritten bin ich erst, als sich ein Student mit ausgefahrenem Kugelschreiber der Leinwand naeherte.

So schnell, wie die Tragik der Komik folgt, waren wir zu dem Schaukasten gelangt, der die zerfetzten Ueberreste des Bildersturms der Taliban zeigte. Jedes Bild, das ein menschliches Angesicht zeigte, war zerstoert worden, ein Jesus-Portraet genauso wie das eines paschtunischen Bauerns. Die in der Ausstellung zu sehenden Portraetbilder waren von Angestellten der Gallerie in ihren Privathaeusern versteckt worden, zum Glueck fuer meine Studenten, die sich nicht satt sehen konnten an dem Gemaelde, das eine Szene im Frauenbadehaus zeigte.

An einem anderen Tag hat mich ein Student zu sich nach Hause eingeladen - ins Kabuler Maennerstudentenwohnheim. Sind dort von dem Leiter herumgefuehrt und bewirtet worden. Das Heim ist voellig ueberbelegt (12 Studenten in einem Raum), fuer deutsche Verhaeltnisse stark baufaellig, doch es gibt, wie der Leiter mehrmals und zurecht stolz betonte, drei Mahlzeiten taeglich. Allerdings schien er seine Schuetzlinge eher als Haustiere anzusehen, denn er sagte wieder und wieder: "The students are fed three times a day." Studenten werden hier eben schnell zu Haustieren, ist mir ja auch schon passiert.

Mit demselben Studenten bin ich spaeter in den grossen Basar gefahren, was meine damalige woechentliche Herausforderung darstellte, deren Bewaeltigung ich mir ohne Begleitung jedoch nicht zugetraut haette, denn der Markt ist so riesig und so verschachtelt, dass ich niemals alleine wieder herausgefunden haette. Es gibt dort alles zu kaufen, von Nagelscheren bis zu delizioesen Kuhhufen. Wir versuchten, meine Traveller's Cheques umzutauschen, leider erfolglos, doch nicht ohne einen interessanten Einblick in das afghanische Finanzwesen erlangt zu haben. Sind am spaeten Nachmittag im Geldmarkt gestrandet, einem Teil des Basars, in dem geschaetzte 50, 60 Wechselstuben, zusaetzlich dutzende Strassenwechsler, Afghanis in Dollar und umgekehrt umtauschen. Da es wiederum nur geschaetzte 50, 60 Touristen in Kabul geben mag, jaehrlich wohlgemerkt, bleibt die Frage, welches Geld dort gewechselt wird. Kann man sich natuerlich leicht denken, wenn man sich in Erinnerung ruft, was der Exportschlager des Landes ist. Habe es trotzdem einen der sehr sympathischen Geldwechsler, ueber eine Tasse Tee gebeugt, gefragt, da ich auf seine Reaktion gespannt war. Er lachte laut auf, mich offensichtlich um meine Naivitaet beneidend, und sagte ehrlichst: "My friend, it all comes from opium. Of course." Ein stolzer Geldwaescher!

Nachher erst wurde mir klar, wie ruecksichtslos es war, die Frage zu stellen, war doch einer meiner Studenten dabei, der sicherlich nicht stolz auf den Drogenanbau ist, aber meine Neugier laesst mich hier so manches Mal uebers Ziel hinausschiessen. Moege meine Jugend mich entschuldigen!

Als ich mir das oben Geschriebene letztens das erste Mal durchgelesen habe, kam mir der Gedanke, dass ihr ein voellig falsches Bild von Kabul erhalten haben muesst.

Ich beschreibe nur die Merkwuerdigkeiten, Absurditaeten, zum einen weil ich glaube, die zur Flucht neigende Leserschaft mit diesen kleinen Geschichten besser (unter)halten zu koennen, zum anderen weil meine eigene Wahrnehmung nach dem Prinzip funktioniert, nur das auffaellige, dem Westlichen entgegengesetzte Verhalten zu registrieren. Ich suche automatisiert nach Unterschieden, seltener nach Gemeinsamkeiten. Und letztere sind viel haeufiger anzutreffen als erstere, denn oefter als von bekifften werde ich von schlecht gelaunten Taxifahrern in die Uni gefahren - deren Unzufriedenheit scheint ein globales Phaenomen zu sein. Und mir kullern von Kindern getretene Fussbaelle oefter vor die Fuesse als 3000 Jahre alte Fruchtbarkeitsgoettinen. Aber waere es fuer euch tatsaechlich interessant zu erfahren, dass die Menschen hier Auto fahren, Fruechte essen, handeln, husten, fluchen, laufen, atmen? Ich glaube nicht.

Trotzdem einige Richtigstellungen. Kabul ist nicht vollstaendig zerstoert, es ist vor allem das Universitaetsviertel, durch das ich jeden Morgen fahre, das mir diesen Eindruck in meiner ersten Woche gegeben hat. Dort sind viele Gebaeude eingeknickt wie Kartenhaeuser, dort leben manche Menschen in den Ruinen. Die uebergrosse Mehrzahl der Bewohner Kabuls lebt aber nicht in verfallenen Haeusern, es gibt in den besseren Vierteln 24 h am Tag Wasser, die ganze Nacht Strom, die Hauptstrassen sind aspahltiert, die Geschaefte sind gut bestueckt mit Lebensmitteln, es gibt u.a. Milch, Mineralwasser, Butter, sogar Nudeln und alkoholfreies Bier zu kaufen. Ansonsten bekommt man alles andere auf dem grossen Basar.

Auch war mein anfaengliches Klagen ueber die Preise hier uebertrieben - es sind fast nur die Mieten, die hier exorbitante Ebenen erreichen. Taxifahren ist im Vergleich zu Deutschland spottbillig, lediglich im Vergleich zu anderen suedasiatischen Laendern teuer. Aber das Essen, die Getraenke, die Kleidung, die Zigaretten, der oeffentliche Transport sind extrem preiswert, ich gebe nicht mehr als sechs, sieben Dollar am Tag dafuer aus - und lebe nahezu luxurioes.

Auch darf nicht verschwiegen werden, dass es trotz der taeglichen Gastfreundschaft und Zuvorkommenheit der Menschen ein tiefes Misstrauen gegenueber Fremden gibt. Dies verwundert nicht, wenn man die afghanische Geschichte ueberhaupt, besonders aber die juengsten Zeiten betrachtet, in denen das Land durch Fremdbestimmung immer wieder heruntergewirtschaftet und zerstoert worden ist. Selbst einer meiner Studenten schaute immer weg, als ich versuchte, ein Bild von ihm zu machen. Auslaender werden hier schnell als Spione, als unehrliche Makler gesehen (und manche sind es ja tatsaechlich), deshalb auch manchmal gefuerchtet. Es dauert einige Zeit, bis wirkliches Vertrauen hergestellt ist. An der Universitaet habe ich mich zwei Wochen gut benehmen muessen, bis das Eis endgueltig gebrochen war.

Und dabei darf man auch nicht vergessen, dass ich als Deutscher einen guten Stand und einfachen Start hier habe. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die sich angeblich manchmal bei Betreten der Strasse zu Deutschen wandeln, um unbeschadet zu bleiben. Ich hoffe dann auch boese, dass sie auf einen meiner Studenten treffen, der den Schwindel enttarnt.

Meine dieswoechentliche Aufgabe - mit dem Fahrrad durch Kabul - habe ich heute morgen in Angriff genommen. Zum Glueck ist heute ein hoher muslimischer Feiertag, was sich beruhigend auf den Verkehr auswirkt, der an Arbeitstagen eher moerderisch ist. Da ich leider keine Bremsen zur Verfuegung hatte, bin ich recht langsam gefahren, habe aber trotzdem die Bewegung nach fuenf Wochen absoluter koerperlicher Untaetigkeit genossen.

Vorbei an dem Muellberg vor unserem Haus und dem toten Hund, der dort seit Tagen vor sich hin gammelt, vorbei am Fleischer, der gehaeutete Kaelber an Haken vor sein Geschaeft haengt, direkt nebenan der Fleischdreher (?), der die Kaelber auf Wunsch durch den Fleischwolf kurbelt, werde ich auf der Strasse von einem Bus ueberholt, der so ueberladen ist, dass die Menschen aus der Tuer haengen. Weiter vorbei an den tagein tagaus ratternden Generatoren der Lebensmittelgeschaefte, vorbei an den unermuedlichen Strassenfriseuren zu meinem Ziel, dem Barbier. Zuerst rasieren mich Kinderhaende, dann kommt der Meister selbst und verpasst mir, nachdem er mich zwar nach meiner Herkunft, nicht aber nach meinem Frisurwunsch gefragt hat, einen waschechten Adolf-Hitler-Seitenscheitel. Er schien ganz erstaunt und enttaeuscht, dass ich darauf bestanden hatte, meinen Oberlippenbart nicht zu behalten.

Zurueck im Eiltempo um dem einsetzenden Regen und Matsch zu entkommen, zu Hause angekommen in panischer Suche nach einer Haarbuerste, um mich zurueck ins dritte Jahrtausend zu kaemmen. Das war mein Donnerstag.

Gestern habe ich zum zweiten Mal ueber den Tellerrand Kabuls hinausgeschaut. Dies ist nicht so alltaeglich, wie es sich anhoeren mag, denn manche Mitarbeitern von GOs oder etwa der UNO duerfen Kabul nie verlassen, manche ISAF-Soldaten haben gar mehrere Monate in Afghanistan verbracht , ohne jemals aus dem Lager herausgekommen zu sein.

Diesmal ging's nach Ghazni, in eine Stadt, die nur 180 km von Kabul entfernt ist, zum Glueck auch noch an der einzigen durchgehend asphaltierten Strasse Afghanistans liegt, der sogenannten ring road. Boese Zungen fluestern, deren Bau sei das einzige erfolgreiche amerikanische Projekt in ganz Afghanistan gewesen. Die Hinfahrt war schon vorbei, bevor ich wirklich wach war, denn ich hatte mich morgens um fuenf Uhr aus dem Bett quaelen muessen. Ghazni ist eine sehr alte Stadt, beruehmt dafuer, dass sie der Heimatort von Mahmud von Ghazni ist, dem ersten von vielen muslimischen Pluenderern Indiens. Daher mussten wir auch unseren indischen Mitreisenden lange ueberreden, nicht auf Mahmuds Grab, ein wohlbehuetetes kulturelles Denkmal Afghanistans, zu pinkeln.

Von der letzten Ruhestaette des ungeliebten Raffzahns waren es nur ein paar Kilometer bis zu den beiden fast tausend Jahre alten Minaretten Ghaznis, die unerklaerlicherweise jedem Krieg und jedem Eroberer getrotzt haben. Allerdings war die unmittelbare Umgebung der Minarette kulturell aeusserst kontrastiv, da sie als Schrottplatz fuer abgeschossene sowjetische Helikopter und ausgebrannte Panzer diente. Eine ganze kleine Armee war dort versammelt, deren Opfer mir hier in Kabul noch heute taeglich als einbeinige Bettler oder Waisenkinder begegnen.

Die heutige Stadt Ghazni unterscheidet sich, zumindest in meinen Augen, nicht sonderlich von anderen Kleinstaedten des Landes. Erstaunlicherweise waren die Maenner nicht bewaffnet, obwohl sie stolze Paschtunen sind, die ihre Gewehre selten freiwillig abgeben. Die Entwaffnungskampagne der UN scheint also tatsaechlich Fortschritte zu machen.

Da wir sehr hungrig waren, betraten wir das erstbeste Restaurant, das sich uns bot. Das Essen (Kebab, Kebab, Kebab) war gut, viel besser jedoch die Szenerie insgesamt. Da Westler in der Stadt bei weitem nicht so haeufig anzutreffen sind wie in Kabul, wurde jeder unserer Bissen von mehreren Augenpaaren neugierig verfolgt. Das Satellitenfernsehen, das zu unserer Ehre auf westliche Kanaele geschaltet worden war, zeigte eine deutsche Dauerwerbesendung, die mich fast davon ueberzeugt haette, dass ich sofort einen neuen Staubsauger brauche. Waehrenddessen klingelte hinter uns staendig ein Mobiltelefon zur Melodie von "We wish you a merry christmas...". Das brachte mich auf die Idee, mir den Staubsauger einfach zu Weihnachten schenken zu lassen.

Auf dem Rueckweg nach Kabul blieb unser alter Jeep am ersten Passanstieg liegen, qualmte aus allen Loechern, war heftig ueberhitzt. Nachdem wir eine Stunde in der staubigen, huegeligen, steppenartigen Einoede auf ein Wunder gewartet hatten und jeder Polizeiwagen, auch jeder Verkehrspolizeiwagen uns schlichtweg ignoriert hatte, beschlossen wir, dass ich mit den zwei mitreisenden aelteren Frauen mit dem Bus nach Kabul fahren sollte. Diese Ehre hatte ich wohl eher meiner voelligen automechanischen Unfaehigkeit zu verdanken als meiner langjaehrigen Erfahrung als Frauenversteher, doch ich habe mich tatsaechlich ganz gut geschlagen. Der afghanische Truck, den wir schliesslich an den Strassenrand winken konnten, nachdem die vollbesetzten Busse an uns vorbeigerauscht waren, brachte uns langsam, sehr langsam, aber sicher nach Kabul. Die Truckfuehrer waren natuerlich alles Maenner, die ich solange diplomatisch fein umgarnte, bis deutlich wurde, dass wir in guten Haenden waren. Lediglich einer der jungen Maenner, der mir in wasserfallartigem Dari einen Satz nach dem anderen ins Ohr jagte, machte mir anfangs Sorgen, denn die einzigen Worte, die ich verstand, waren "Al Quaida" und "George W. Bush". Erst als ich ihn durch wildes, hilfloses Gestikulieren auf das niedrigste moegliche Sprachniveau gedrueckt hatte, verstand ich, was er sagen wollte: "Bush ist gut. Al Quaida und Taliban waren schlecht." Danach konnte ich dann auch wieder den Sonnenuntergang geniessen und mich zum ersten Mal dazu entschliessen, Praesident Bushs Aussenpolitik aus vollem Herzem und mit reinem Gewissen gutzuheissen. Kurz vor Kabul wurden wir dann endgueltig zu besten Freunden, da aufgrund unserer Anwesenheit die Zollkontrollen entfielen, was unsere Helfer mit grosser Freude erfuellte. Zu unserem Erstaunen warteten hinter der Zollkontrolle am Strassenrand unsere restlichen Mitreisenden, die, nachdem sie den Jeep in eine Werkstatt nach Ghazni hatten abschleppen lassen, mit einem iranischen Expressbus an uns vorbeigefahren waren. Haben uns dann von unseren hilfsbereiten Truckern herzlich verabschiedet und uns zu sechst in ein Taxi gezwaengt und ich glaube nicht zu uebertreiben, wenn ich nun sage, dass ich mich auf eine Woche ganz normalen Alltag so richtig freue.

Und hier zwei Photos von unserem Haus (Garten und Wohnzimmer):

Und von unserem letzten Ausflug nach Wardak:

Bin in der letzten Woche etwas (schreib)faul geworden, da die erste Spannung und Aufregung nun wirklich vorbei ist, mein Aufenthalt sich sogar langsam dem Ende zuneigt. Mag aber auch an meinem neuen Stundenplan liegen, der es mir erlaubt, oefters bis halb acht zu schlafen. Seit zwei Wochen gebe ich auch ganz klassischen Sprachunterricht, neben Landeskunde und dem Horrorfach ueberhaupt: Wissenschaftliches Schreiben. Am interessantesten ist der Landeskundeunterricht, da dort die kulturellen Differenzen gnadenlos aufeinander treffen. Letztens fragte mich ein Student, ob meine Verlobte (ja ja, hab etwas uebertrieben, um als Ehrenmann durchzugehen) denn auch meinem Stamm angehoere. Heute durfte ich dann versuchen meine Studenten davon zu ueberzeugen, dass Hitler kein grosser Deutscher war, was manche partout behaupteten. Die Bewunderung Hitlers, die ich hier auch taeglich auch ausserhalb der Uni erfahre, ruehrt allerdings nicht von einem etwaigen Antisemitismus der Afghanen, sondern von der Bewunderung seiner Macht. Denn wer maechtig ist, ist ein grosser Mann, wie auch immer er seine Macht gebrauchen mag. So habe ich es zumindest verstanden. Mein Vorschlag an die Amis: Werft Boell statt Bomben!

Vor ein paar Wochen habe ich die Studenten einen Fragebogen zur Evaluierung des Deutschunterrichts in Afghanistan ausfuellen lassen. Bei der Frage, welches Thema nicht fuer den Deutschunterricht geeignet sei, kreuzte jeder, wirklich jeder, das Kaestchen 'Krieg' an. Zur Auswahl stand unter anderem auch 'Sexualitaet'. Tja, leider war die Vokabel neu, was mich verpflichtete, sie zu erklaeren. "Herr Jan, was ist Sexualitaet?" Da stand ich dann, heftig gruebelnd, wie ich das wohl adaequat definieren koennte und mir fiel in den zwanzig Sekunden, die ich hatte, nichts Besseres ein, als mit moeglichst vielsagender Stimme zu antworten: "Die Liebe zwischen Mann und Frau." Dass ich verstanden wurde, konnte ich schnell feststellen, da jede Studentin schlagartig den Blick senkte, waehrend ein ganz gewitzter Student fragte: "Sie meinen Geschlechtsverkehr?" Zehn Minuten spaeter ging der Spass dann weiter, als ich die Vokabel 'gleichgeschlechtliche Partnerschaft' erklaeren durfte. Aber lassen wir das.

Nachmittags schreitet die Bibliotheksinventarisierung munter voran. Die Studenten sind ganz begierig, mit dem Computer zu arbeiten und neue Programme zu erlernen. Sie geben dann in Zweiergruppen alle moeglichen bibliographischen Daten ein, waehrend ich haenderingend versuche, die groessten Fehler zu tilgen. Das groesste Problem ist, dass die Studenten noch zu wenige deutsche Vornamen kennen, ergo nicht den Autornamen finden koennen. Einmal hiess ein Verfasser mit Vornamen 'Ungekuerzte' und mit Nachnamen 'Ausgabe'. Ich habe im Persischen natuerlich exakt das gleiche Problem, aber ein Schmunzeln konnte ich nicht unterdruecken.

Meine andere Nachmittagsbeschaeftigung sind die Besuche deutscher Organisationen in Kabul. Letztens waren wir beim deutschen Polizeiprojekt. Nachdem der bayerische Polizist in breitem Beamtendeutsch einen Vortrag ueber die Arbeit der deutschen Polizei in Afghanistan (Ausbildung, Materialspenden, Organisationshilfe etc.) gehalten hatte, setzten wir uns an einen grossen Tisch im bluehenden Garten und stellten unsere vorbereiteten Fragen. Die bukolische Atmosphaere mag den Poeten unter meinen Studenten, einen sehr netter jungen Mann, der mir gerne seine Gedichte vortraegt, dazu inspiriert haben, den kantigen, schneidigen Muenchener nach einiger Zeit folgendermassen anzusprechen: "Darf ich Ihnen eine persoenliche Frage stellen?". Ich dachte nur: "Junge, was hast du vor?". Unser Gastgeber nickte auffordernd. "Sie sind ein alter und sehr weiser Mann. Ich habe eine schwierige Frage: Was ist Liebe?" Dies war das erste Mal in den letzten sieben Wochen, dass ich mein Lachen einfach nicht mehr unterdruecken konnte. Da sitzt ein bayrischer Polizist in strenger Uniform in Kabul und wird von meinem meist in Orange oder hellem Pink gekleideten Dichterlehrling gefragt, was denn die Liebe sei. Der gute Beamte, sichtlich geschmeichelt, wurde erstaunlicherweise ganz ruehrselig, dozierte in bluehenden Metaphern von der Liebe ud sprach ganz unvermittelt von seiner Frau in Muenchen.

Heute haben wir das Minenmuseum besucht. Die Hinfahrt verbrachten die Studenten in geloester Stimmung mit froehlichem Singen und schliesslich wurde auch ich ultimativ aufgefordert, ein deutsches Lied beizusteuern. Da der FC gestern aufgestiegen ist, hab ich mich fuer irgendein koelsches Lied entschieden, das ich den Studenten beibrachte, was zur Folge hatte, dass eine Busladung Afghanen und ein grinsender Deutscher in tiefstem Koelsch "Drink doch eene met" durch die Strassen Kabuls schmetterten.

Nach dem Museumsbesuch fuehrten mich noch einige der Studenten das benachbarte Nationalstadion. Waehrend wir in dem wenig spektakulaeren Rund standen, erzaehlte einer meiner Begleiter ploetzlich davon, was hier in der Talibanzeit geschehen sei. Er sagte, in den Halbzeitpausen eines Fussballspiels seien immer die Ausgaenge versperrt worden, sodass die Zuschauer mit ansehen mussten, wie Dieben eine Hand abgehackt wurde, Frauen zur Bestrafung irgendeines fadenscheinigen Bloedsinns dutzende Peitschenhiebe verpasst wurden, manchmal auch Maenner und Frauen gekoepft oder gesteinigt wurden. Nun erzaehlte jeder Student auf einmal eine Geschichte, die er in dieser Zeit erlebt hatte, von Gefaengnisaufenthalten, Pruegel oder der von den Taliban erzwungenen Zerstoerung der amerikanischen Botschaft. Diese Momente sind haeufig, da die psychischen Wunden des Krieges zwar nur selten offen zu sehen sind, aber noch lange lange nicht verheilt sind. Das Land braucht ebensoviele Psychater wie Entwicklungshelfer.

Nachdem ich die Bundeswehrsoldaten bisher nur aus der Ferne bestaunen konnte, durfte ich letzte Woche ihr Lager, das Camp Warehouse, besuchen. Und jedes Klischee hat sich bestaetigt: im Staub der Lagerstrasse joggen Soldaten in viel zu kurzen Hosen dem Sonnenuntergang entgegen, waehrend sich die andere Haelfte der tapferen Kaempfer bei ein paar kuehlen Bier entspannt und den heimkehrenden Panzern oder den aehnlich gebauten, martialisch daherstapfenden Soldatinnen zusieht. In der Kantine gab's Schnitzel mit Pommes, sogar fuer mich, was mich so erfreute, dass ich noch Tage spaeter beim Gedanken daran in ein breites Grinsen verfiel. Da das Lager von verschiedenen europaeischen Armeen genutzt wird, kann der Soldat fern der Heimat zwischen Pizza und Paella waehlen, auch sah ich ab und zu Soldaten verschiedener Nationalitaeten gemeinsam spazieren gehen, scherzen.

Das Waffenarsenal ist natuerlich gewaltig, allein die Kleinpanzer, Wiesel genannt, in denen gerade einmal zwei Soldaten Platz finden und die mich an einen Smart mit Bordkanone erinnerten, kann ich mir schwer im Gefecht gegen gestandene Taliban vorstellen, die wohl eher Lachreiz als Furcht empfinden, wenn sie dem schnuckeligen Gefaehrt begegnen.

Wieviel die Soldaten vom afghanischen Leben wissen konnte ich erfahren, als mich ein junger Kerl fragte, ob ich denn in der Uni " auch mal ne Studentin aufreissen" koenne. Als ich ihm leicht pikiert antwortete, dass noch nicht einmal ein afghanischer Student das koenne, sagte er nur: "So ein Scheiss.", worauf mir auch nichts mehr einfiel.

Am naechsten Morgen schaute ich dann zum ersten Mal seit sieben Wochen in meinen Reisepass, den ich beim Besuch des Lagers hatte vorzeigen muessen. Da fiel mir glatt auf, dass mein Visum seit fast einem Monat abgelaufen ist, da es nur 30 Tage, nicht 90, wie ich gedacht hatte, gueltig ist, aehhhh, war. Als ich am naechsten Tag meinen Lieblingskollegen um Rat bat, rief er den Chef und beide lachten erstmal herzlich: "Hey, du bist illegal hier, uebergeben wir dich jetzt wohl besser der Polizei, ha ha ha." Danach brachten sie dann unglaublich schnell die Muehlen der Verwaltung zum Mahlen, zuerst wurde ein Brief aufgesetzt, der mir bescheinigte, dass ich so sehr "mit der Hilfe beim Wiederaufbau Afghanistans beschaeftigt" gewesen sei, dass ich mich nicht um die Verlaengerung meines Visums hatte kuemmern koennen. Als erstes hat der Rektor der Uni Kabul unterzeichnet, jetzt liegt der Schrieb zur Unterschrift beim Erziehungsminister, dann geht's ins Aussenministerium. Und ich stehe beschaemt daneben, ein kleiner Junge, dem der ganze Aufwand schrecklich peinlich ist.

Seit dem letzten Wochenende stehe ich dazu noch unter einem mir von meiner Chefin nahegelegten, informellen Hausarrest, da es vermehrt zu Angriffen auf Auslaender gekommen ist, mit dem traurigen Hoehepunkt des Selbstmordanschlags auf ein Internetcafe in Schahr-e-Nou. So fahre ich denn morgens zur Uni, gebe Unterricht, fahre nachmittags sofort zurueck nach Haus und verlasse das Haus nicht mehr. Heute kam ich gar nicht bis zur Uni, da, wie gestern im Rest des Landes, antiamerikanische Studentenproteste stattfanden, denen ich lieber aus dem Weg gegangen bin. Da angeblich GIs in Guantanamo Koranbaende ins Klo geworfen haben, ist es fuer einen Deutschen in Kabul zu gefaehrlich, die Uni zu betreten. Willkommen im globalen Dorf! Verschaerft wurde gestern die Situation noch dadurch, dass der Gouverneur von Nangarhar amerikanische Truppen zur Hilfe gerufen hat, die unversehens in die Studentenmenge geschossen und zwei Menschen getoetet haben. Angeblich zumindest, ich glaub hier nur noch, was ich selbst sehe.

Seltsamerweise fuehle ich mich nur wenig bedroht, da ich abseits der grossen Ballungsgebiete der Westler wohne und arbeite, die als gefaehrlich geltenden Plaetze eh schon immer gemieden habe, mit niemandem ein Problem gehabt habe und viele Afghanen als Freunde habe, die auf mich aufpassen und mir helfen, wenn's irgendwo ungemuetlich werden koennte. Ausserdem war ich schon in der sechsten Klasse Stufenbester im 800-Meter-Lauf, in 2 Minuten 56 Sekunden damals, glaub ich. Das sollte reichen.

Hab ich grad noch auf yahoo gefunden. Der Mann unten in der Mitte im Schatten, mit dem dicken Arm, ist einer meiner Studenten im Landeskundeunterricht, ein wirklicher netter Kerl - ungelogen. Man sollte halt nicht den Koran das Klo runterspuelen, dann wird er wuetend.

Es gibt nicht viel zu berichten aus Kabul. Da ich mich kaum noch ausserhalb der Uni bzw. meines Hauses bewege, waren die spannendsten Momente der letzten Woche die endlosen Behoerdengaenge wegen meines Visums, das ich inzwischen tatsaechlich erhalten habe, das gestrige Fussballspielen ueber einen richtigen Fussballplatz mit zwei Toren und ebensovielen Mannschaften, die Filmabende mit meinem Mitbewohner Francois, der doch tatsaechlich zwanzig, dreissig franzoesische Spielfilme mit nach Afghanistan genommen hat, sehr zu meiner Freude, und ein kleines Erdbeben, das mich nachts aufgeweckt hat.

Bin in Gedanken schon wieder recht nah an Deutschland, wuerde mal sagen, im Moment irgendwo ueber Anatolien. Tja, und die Frage aller Fragen: Werde ich mein Leben hier vermissen? Und wie immer ist die Antwort: Jein. Ich werde die vielen Studenten und Kollegen, mit denen ich gut zusammenarbeiten konnte, missen, ihre menschliche Waerme und ihr geistiges Interesse. Ich werde auch meine kleine internationale Kommune vermissen, die mir die paar freien Stunden am Tag verschoent hat, mit Handballspielen aufs Garagentor oder den gemeinsamen Abendessen. Schwieriger wird's schon bei der Stadt selbst, die viele schoene Ecken hat, die aber doch insgesamt dem Neuling als Hoelle erscheinen muss, wahlweise Matschhoelle, Muellhoelle, Staubhoelle oder Abgashoelle. Je nach Wetterlage. Andererseits habe ich noch nie eine Stadt gesehen, die spektakulaer gelegen ist als Kabul, voellig eingerahmt von Bergen, manche immernoch weiss betupft (es ist Mai!), und an klaren Abenden mit frischem Wind, der den Gestank vertreibt, erinnert es mich an die Alpen.

Was ich nicht vermissen werde, moechte ich nicht anfangen aufzuzaehlen, gerade in letzter Zeit sind mir einige afghanische Verhaltensmuster gewaltig aufgestossen, von der Behandlung der Frauen ueber die falsche, fast amerikanische Pruederie bis zur alltaeglichen Gewaltbereitschaft und Gewaltverherrlichung der Menschen. Wer ist der beliebteste Filmstar Afghanistans? Richtig, Arnie. Was tut ein Polizist, der an einer Pruegelei zweier Passanten vorbeigeht? Richtig, nichts. Oder wahlweise mitpruegeln. Je nach Wetterlage.

Aber gut, jetzt fang ich ja doch an und merke, dass ich die klassischen afghanischen Klischees bediene, was ja gerade nicht meine Aufgabe ist. Ich werd nach meiner Rueckkehr bei einem kuehlen Bier und einem Dreikiloschweineschnitzel ruhig ueberlegen, welche Aussagen ueber dieses Land ich guten Gewissens treffen kann.

Geniesse die letzten Tage noch einmal mit dem Gedanken, dass ich all die Erlebnisse, die hier taeglich auf meinem Weg lagen, in Deutschland niemals finden koennen werde, und zugleich mit dem beruhigenden Wissen, in ein paar Tagen wieder im friedlichen, dekadenten Europa zu weilen.

Eine letzte Schote, die ich heute beim Besuch des Nationalmuseums bestaunen durfte, hab ich noch fuer euch. Ein aelterer, sehr sympathischer Herr fuehrte die Studenten und mich durch die Ausstellung antiker Skulpturen, die eine interessante Mischung aus buddhistischen und griechischen Elementen aufwiesen. Da ich eh nur aeusserst wenig von dem in Dari gehaltenen Vortrag verstehen konnte, wanderte ich recht frei von einem Exponat zum naechsten. So hatte ich einen gewissen Vorsprung, als die Gruppe einen wirklich ueberdimensionalen Lingam, d.i. eine ueberdimensionale Fruchtbarkeitsfigur das maennliche Geschlechtsteil darstellend, erreichte. Ich hatte mir schon in diabolischer Vorfreude einen guten Platz gesichert, von dem ich die sich anschliessende Szene ueberblicken konnte. Die Studenten bestaunten das Objekt, tasteten es langsam, man verzeihe mir die Bosheit, zaertlich ab, ohne zu wissen, was es denn darstellte. Zu allem Ueberfluss fragte dann auch eine Studentin unseren Fuehrer, was es mit der Statue auf sich habe. Dieser, der deutlich sichtbar den Plan gehabt hatte, das Objekt einfach zu ignorieren, betonte, er koenne das nur den Maennern, nicht aber den Frauen erklaeren. Damit war die Neugierde natuerlich geweckt. Dann sprach er zu den Maennern, die Frauen hatten Boeses ahnend sofort die Flucht ergriffen, ein paar Worte, worauf jeder Student seine Hand im Bruchteil einer Sekunde von dem schoenen Penis zurueckzog. Dann begann das aufgeregte, furchtbar pubertaere Gekicher und alle wollten mir unbedingt erklaeren, was Frauen frueher mit dem anderthalb Meter grossen Stein anstellten, um fruchtbar zu werden. Ich erspare es euch, es klang auch zu unglaublich. Einer meiner Studenten warf, als ich meinen Unglauben diesbezueglich deutlich geaeussert hatte, ein, dass frueher schliesslich auch Riesen in Afghanistan gelebt haetten.

So kehre ich also bald zurueck, noch kein Muslim, obwohl mich eine Studentin gefragt hat, ob ich nicht langsam mal konvertieren moechte, allerdings mit afghanischem Bart- und Haarschnitt und mit einigen Angewohnheiten, die ich mir in Deutschland schnell wieder abgewoehnen muss, etwa das muntere Muell-aus-dem-Autofenster-Werfen oder den 10-Meter-Sprint beim Ueberqueren einer Hauptstrasse.

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